Vor 23 Jahren übernahm Confrère Dirk Kowalke das Zepter von seinem Vater Rüdiger. Seitdem hat er Deutschlands berühmtestes Fischrestaurant mit behutsamer Hand einer gelungenen Verjüngungskur unterzogen

Das waren noch Zeiten: Zwölf Uhr mittags – High Noon in Hamburgs Großer Elbstraße. Geschäftsleute, Touristen, Hamburger Familien drängen sich vor dem roten Backsteingebäude mit der Hausnummer 143. Taxen fahren vor, Autofahrer, die nicht lange nach einem Parkplatz suchen wollen, überlassen Schlüssel und Fahrzeug einem eifrigen und zugleich höflichen Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd, Hamburgs einzigem Restaurant-Wagenmeister. Hungrige Pilger auf dem Weg zu Deutschlands angesagtestem Fischtempel, dem Hamburger Fischereihafen-Restaurant. Eine Institution, die Gourmets aus aller Welt seit nunmehr fast 40 Jahren in die Hansestadt zieht. Prinz Charles und Lady Di waren hier, Schauspieler wie Robert Redford, Sean Connery, Politiker wie Helmut Kohl und Angela Merkel gehören zu den Stammgästen. Dazu jede Menge Sport-Größen von Boris Becker bis Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer.

Rund 20 Stufen geht’s vom Eingang nach oben. Dort angekommen wird jeder einzelne Gast – egal ob VIP oder nicht – von Confrère Dirk Kowalke (49) herzlichst begrüßt und zu seinem Platz geführt. So, wie man einen guten alten Bekannten empfängt. Eine Tradition, die schon sein im vergangenen Jahr verstorbener Vater Rüdiger Kowalke pflegte. Ein Mann, von dem Paul Bocuse einmal gesagt hat: „Er hat den Fisch geadelt.“ Und wie schon der Vater, der das Haus 17 Jahre lang erfolgreich führte, gibt auch der Sohn sich hanseatisch korrekt: dunkle Anzughose mit messerscharfer Bügelfalte, Streifenhemd mit Krawatte und blank geputzte Budapester Schuhe. Ein Kowalke weiß, was Stil heißt.

Vor 23 Jahren übernahm der Junior, der nach dem Abitur zunächst eine Bank- und dann eine Kochlehre absolvierte, die Leitung des Restaurants, unterzog es einer behutsamen Verjüngungskur. Dabei hat es am Anfang manchmal kräftig gerumpelt zwischen Vater und Sohn. „Doch das ist völlig normal, wenn zwei Generationen innerhalb eines Betriebes zueinander finden wollen“, sagt er. „Da wir beide aber nicht nachtragend sind, hatten wir schon nach kurzer Zeit einen gemeinsamen Weg gefunden.“

Zur Seite steht Dirk Kowalke Stiefbruder Benjamin Kast („Benny“), der seit 2011 seine rechte Hand ist. Abgerundet wird das Familienbild durch Benjamins Mutter Susanne, die mit Rüdiger Kowalke seit 1999 in zweiter Ehe verheiratet war. Sie kümmert sich auch nach wie vor warmherzig und liebevoll um das Wohl der Gäste. Sie ist die gute Seele des Hauses und wird von vielen als „charmanteste Gastgeberin der Stadt“ geschätzt.

Die Philosophie und den grundsätzlichen Stil des Hauses hat Confrère Dirk Kowalke beibehalten. „Aber Plüsch und Plum habe ich entfernt, die alte Deko entsorgt, alles umgestaltet. Bodentiefe Fenster mit großen Glasschiebetüren installiert, die für eine ganz neue Transparenz im Lokal sorgen.“
Heute bietet sich den Gästen von den meisten der 180 Plätze ein traumhafter Blick auf den Hamburger Hafen. 2001 hinzugekommen ist eine große Balkonterrasse mit 50 Plätzen, die bei schönem Wetter zum Essen im Freien einlädt.

Besonders stolz ist er auf die Oyster-Bar, seine erste Umbaumaßnahme, gleich nachdem er das Restaurant übernommen hatte. Dutzende Fotos prominenter Gäste, zum Teil mit persönlichen Widmungen, zieren die Wände. Barmann Ricci hat hier das Sagen. Bei ihm hat schon „James Bond“ Pierce Brosnan seine Drinks geordert – und war absolut hingerissen!
Auf der Karte des Fischereihafen-Restaurants stehen traditionelle regionale Gerichte von Räucheraalfilet auf Kräuterrührei und geröstetem Schwarzbrot – das Lieblingsgericht von Franz Beckenbauer– bis hin zu Labskaus, aber auch Hummer und Seezunge und Asiatisches wie Gambas in Tempura, Sushi oder Pfeffersteak vom Thunfisch auf Wok-Gemüse.

Und natürlich der absolute Renner des Hauses: Steinbutt. Über eine Tonne davon verarbeitet Küchenchef Jens Klunker, dessen Vater Wolf-Dieter übrigens schon unter Rüdiger Kowalke Chefkoch war, im Monat. Keine normalen, kleinen Fische, sondern ausschließlich große Tiere von fünf bis sechs Kilo Gewicht, deren Fleisch wesentlich saftiger ist. „Unser Steinbutt an der Gräte“, schwärmt Kowalke, „ist wirklich ein königliches Gericht – egal ob gekocht mit zerlassener Butter und Sahnemeerrettich oder gebraten mit Pommery-Senfsauce und Gurkensalat.
Dass stets frischer Fisch auf den Tisch kommt, garantieren die umliegenden Fischhändler. „Egal ob Scholle, Matjes oder Karpfen, wir bekommen zu jeder Jahreszeit den besten Fisch in die Küche“, freut er sich. „Und wenn tagsüber mal etwas ausgeht, dann reicht ein kurzer Anruf, und 15 Minuten später ist die Ware da.“

Doch seit Corona hat sich auch die Welt im Fischereihafen-Restaurant verändert. „Wir haben mehr als 80 Prozent Umsatzeinbruch“, beklagt Confrère Dirk Kowalke. Erstmals in der Geschichte ist das Restaurant, das normalerweise keinen Ruhetag kannte, geschlossen. Damit seine Gäste aber nicht ganz auf die Köstlichkeiten aus der Küche von Jens Klunker verzichten müssen, gibt es einige ausgewählte Gerichte von Backfisch bis Gambas im Knuspermantel und von Steinbutt bis zu Heidespargel mit Holsteiner Katenschinken außer Haus.
Auch wenn er demnächst mit Auflagen wieder öffnen darf, so wie früher wird es so schnell nicht wieder sein. Schon gar nicht vorne in der Oyster-Bar. Denn auf den Aperitif oder den Absacker in gemütlicher Runde bei Richi wird man vermutlich noch lange Zeit verzichten müssen. Schade, denn auch wenn’s dort manchmal eng zuging – schön war’s allemal.

Text: Text: Klaus Zelgin, Vice Chargée de Presse

Fotos: Michael Zuther, Fischereihafen-Restaurant

Fischereihafen-Restaurant
Große Elbstraße 143
22767 Hamburg
Telefon 040 – 381816
www.fischereihafenrestaurant.de